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Bohren für ein klimafreundliches ICE-Werk
Auf dem Gelände des ICE-Werks am Dortmunder Hafen tut sich was. Etwa 71 Rohre ragen an verschiedenen Stellen aus dem Boden des rund 25 Hektar großen Areals. Hier stanzen Bauteams seit Dezember letzten Jahres zahlreiche Löcher in die Erde. Veranlasst hat das Kai Fries. Der Teilprojektleiter ist für die technische Gebäudeausstattung zuständig, von Gebäudeheizungen über Trinkwassererwärmung bis zu Belüftungsanlagen. Doch bislang steht hier kein Gebäude. Fries’ aktuelle Aufgabe auf der brachen Fläche: Bohren.

Insgesamt 85 Bohrlöcher benötigt die geplante Erdwärmesonden-Anlage des neuen ICE-Werks. Damit ist sie eine der größten Geothermie-Anlagen in Nordrhein-Westfalen. Später versorgt sie die Werkshalle, das Lager, Nebenwerkstätten und das Verwaltungsgebäude mit Wärme aus der Erde. Bauliches Vorbild ist das „grüne“ ICE-Werk in Köln-Nippes, das seit 2018 in Betrieb ist. Doch im Gegensatz zu Köln, wo fünf Grundwasserbrunnen die nötige Wärmeenergie liefern, ist in Dortmund zu wenig Grundwasser vorhanden. Daher entschied sich das Projektteam für die bodennahe Geothermie. Das sei an der Stelle die energieeffizienteste Lösung, sagt Experte Kai Fries. Über die geothermischen Sonden wird dem Boden die Wärme entzogen und in die Gebäude geleitet. Die Heizungsanlage verfügt über eine Leistung von 4,8 Megawattstunden pro Jahr, das entspricht dem Verbrauch von etwa 2.400 Haushalten.
Großprojekt mit besonderen Herausforderungen
Bis hier allerdings Rohre verlegt werden können, hat Fries’ Bohrtrupp eine aufwendige Arbeit vor sich. Denn das Baufeld in Dortmund-Hafen besitzt eine schwierige Geologie. „Das ist ehemaliges Kohlebergbaugebiet, der Boden ist allein durch den Kohleflöz eine Herausforderung.“ Das bedeutet für die Fachleute, Umweltauflagen beachten und viel Abstimmung mit Behörden. „Wenn es im Ruhrgebiet in die Tiefe geht, wird es aufwendig“, weiß der Experte. Die Bohrexpert:innen haben im Vorfeld eine Testbohrung durchgeführt, um die Geologie besser zu verstehen. Dann ging es an die konkrete Planung. „Diese vorbereitenden Maßnahmen sind nicht ohne, auch wenn man davon nicht viel an der Oberfläche sieht.“
In jedes der 200 Meter tiefen Bohrlöcher werden die geothermischen Sonden eingeführt und der Schaft mit speziellem Füllmaterial verpresst. Durch die eingebrachten und verpressten Erdwärmesonden zirkuliert eine Wärmeträgerflüssigkeit, die die Wärme aus der Tiefe nach oben transportiert. Ein Bohrvorgang inklusive Auffüllen dauert einen Tag, manchmal eineinhalb Tage. Bei 85 Bohrlöchern vergehen da schnell Monate. Um den Zeitplan einhalten zu können, sind bis zu drei Bohrgeräte parallel im Einsatz. Aktuell bestehen 71 Bohrlöcher, bis Ende Mai 2025 sollen alle Rohre gelegt sein.
Von Löchern und Rohren wird hinterher aber nichts mehr zu sehen sein. Auf dem Sondenfeld wird später der Mitarbeitenden-Parkplatz entstehen. Lediglich einige Kontrollschächte werden dort oberirdisch sichtbar sein.
Mit Volldampf in die nächste Bauphase
Nach den Bohrungen werden die Rohre in Richtung spätere Werkshalle verlegt. Im zweiten Bauabschnitt folgt dann der Anschluss in den Heizungsraum im Werk. Vorbereitend für den Hochbau errichtet das DB-Bauteam schon jetzt eine 521 Meter lange Stützwand neben der künftigen Werkshalle. Da das Gelände hier tiefer liegt als die angrenzende Westfaliastraße, soll das bis zu 3,80 Meter hohe Bauwerk das Gelände abstützen.
Parallel gibt es Ausführungspläne und Leistungsverzeichnisse zu erstellen sowie Ausschreibungen und Bauzeitenpläne für die nächsten Bauphasen vorzubereiten. „Wir arbeiten immer unter Volldampf, wir wollen ja fertig werden“, so der Teilprojektleiter. Im nächsten Jahr folgt der zweite Bauabschnitt für die Geothermie-Anlage. Dann wird es deutlich wuseliger auf dem Baufeld sein, sagt Fries: „Denn dann kommen Hochbau, Tiefbau, Trockenbau, Bahnstromtechnik, Gleisbau und weitere zusammen. Zur Hochphase nächstes Jahr werden bestimmt an die 250 Personen aus verschiedenen Gewerken auf der Baustelle arbeiten – zeitgleich.“
Klimafreundlich und kapazitätsstark für die wachsende ICE-Flotte
Geothermie für die Beheizung, Photovoltaik auf dem Dach, Versorgung mit Ökostrom – das ICE-Werk wird zu 100 Prozent aus klimafreundlichen Energiequellen versorgt. Darüber hinaus hat der Neubau weitere Vorteile, die sich positiv auf den Betrieb im Fernverkehr auswirken. Denn das Ziel, mehr Reisende auf die Schiene zu bekommen, bedeutet auch mehr Züge. Die ICE-Flotte soll in den kommenden Jahren von aktuell gute 400 auf mehr als 450 Züge bis Ende des Jahrzehnts wachsen. Und die wollen instandgehalten werden.
Die viergleisige Werkshalle ist 480 Meter lang. So passen auch die neuen, extralangen ICE 3 in Doppeltraktion hinein. Kürzere Fernverkehrszüge können weiterhin im Werk Dortmund-Spähenfelde versorgt werden. Und noch ein Pluspunkt: Das Werk schafft neue Arbeitsplätze, u. a. für Ingenieur:innen, Elektroniker:innen, Mechatroniker:innen und Schlosser:innen – die sich auf ein effizientes Werk mit sauberer Energiegewinnung freuen können.
Grünes ICE-Werk Dortmund-Hafen
Neben der Geothermie stellen diverse Maßnahmen den klima- und umweltfreundlichen Aspekt sicher:
- Mehr Biodiversität: Die Dachbegrünung bietet eine natürliche Dämmwirkung und schafft ein Biotop für Insekten und Vögel.
- Grüner Strom: Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach erzeugt jährlich etwa 800 Megawattstunden Solarstrom für den Eigenbedarf.
- Effiziente Beleuchtung: LED-Lampen in Büros und eine tageslichtabhängige Licht-Steuerung in der Werkshalle und den Außenanlagen senken Energieverbrauch und Kosten.
- Grüne Mobilität: Dank überdachter Fahrradabstellplätze, Ladesäulen für E-Autos und -Motorräder, Fahrradschränken für E-Bikes und einer geplanten ÖPNV-Anbindung können die Mitarbeitenden umweltfreundlich zur Arbeit gelangen.
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